Nashörner: Auge in Auge mit den Giganten

Breitmaulnashörner, zwei Kühe, ein Bullenkalb, Nähe Windhoek, Namibia, Heike Pander

Breitmaulnashörner, zwei Kühe, ein Bullenkalb, Nähe Windhoek, Namibia, Heike Pander

Den schweren, großen Kopf tief gesenkt stehen sie vor mir: drei Kolosse, die wie aus einer längst vergangenen Zeit erscheinen. Zwei Nashornkühe und ein halbwüchsiges Bullenkalb weiden genüsslich das trockene Steppengras in der Namibischen Savanne ab. Nur ihre rhythmischen Geräusche beim Abrupfen des Grases sind zu hören. Bislang haben sie mich nicht entdeckt, obwohl ich keine 30 Meter vor ihnen stehe. Langsam grasen sich die Nashörner in meine Richtung vor. Die Szenerie ist friedlich, zeitlos und fast unwirklich. Ihre archaische Präsenz ist vergleichbar mit der von Elefanten oder uralten Affenbrotbäumen. Ich stehe vor diesen prächtigen Tieren – einer meiner Träume ist wahr geworden. Ich könnte weinen vor Glück.

Heike Pander mit Breitmaulnashörnern, Nähe Windhoek, Namibia, Tobias Sauer

Heike Pander mit Breitmaulnashörnern, Nähe Windhoek, Namibia, Tobias Sauer

Nashörner sind schreckhafte Tiere und sehen sehr schlecht. Dafür sind ihr Gehör und ihr Geruchssinn viel besser ausgebildet. Still stehe ich da und lasse dieses friedliche Bild auf mich wirken. Vermutlich bin ich für sie nur ein Baum. Ihre Schreckhaftigkeit verwundert mich nicht. Eines der Tiere hat letztes Jahr einen Gewehrschuss von einem Wilderer abbekommen. Einer der Ranger erzählte, dass die Wunde nur langsam verheile. Die Narbe ist deutlich zu erkennen. Das Tier hat lange gelitten.

 

Wilderei ist auch auf dieser Farm ein großes Problem. Ein Nashornbulle ist zurzeit in Behandlung – auch ihn hatten Wilderer erwischt. Glücklicherweise haben diese beiden Tiere überlebt. Weniger Glück hatte das Breitmaulnashorn, ein Bulle, dessen Skelett unweit von meinem Standort liegt. Getrocknete Haut spannt sich über abgenagte Knochen. Über der Nase klafft ein hässliches Loch. Ein trauriges Bild. Vor seinem Tod trug das Tier ein ansehnliches Horn – der Grund, warum es sterben musste. Ein Kilogramm des Horns kostet mehr als das gleiche Gewicht in Gold. Die Nachfrage nach dem zweifelhaften Aphrodisiakum in Asien ist ungebrochen. Die Mythe der Potenzsteigerung lebt weiter. Dabei könnten die Menschen statt Nashorn auch einfach ihre Fußnägel kauen: sie bestehen aus demselben Material wie das Horn der Nashörner. Setzen Wilderer ihre grausame Arbeit in ihrer derzeitigen Geschwindigkeit fort, sind diese prächtigen Tiere in wenigen Jahren ausgelöscht. Für immer von der Erde verschwunden. Ein entsetzlicher Gedanke.

 

Ich habe mich bewegt. Sofort schnellen drei Köpfe hoch und wittern in meine Richtung. Aus den friedlichen Riesen können blitzschnell Kampfmaschinen werden, wenn sie sich bedroht fühlen. Weglaufen wäre zwecklos, also spreche ich mit ruhiger, freundlicher Stimme zu den Breitmaulnashörnern. Sie wissen nun, dass ich da bin und sind offenbar an Menschen gewöhnt. In meinem Fall ist das ein Segen, denn von mir geht keine Gefahr für die wunderschönen Tiere aus. Für die Begegnung mit Wilderern ist ihre Zutraulichkeit ein Nachteil und eher lebensbedrohlich. Die drei entspannen sich und passen lediglich ihren Kurs ein kleines Bisschen an. Sie drehen etwas nach rechts ab und grasen friedlich in Richtung Horizont weiter.

 

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